Samstag, 4. April 2009

Ironie - ein unvollständiger Rundumschlag

Manchmal kommt man nicht umhin seine Lebenseinstellung zu hinterfragen und mehr oder weniger kritisch zu beleuchten. Ironie, Zynismus und Sarkasmus sind eine bewährte Art, um mit dem Leben und seinen kleinen und größeren Gemeinheiten umzugehen. Aber manchmal ist es vielleicht doch nicht der einzig wahre Weg.
Dies ist gewissermaßen ein völlig subjektiver Erfahrungsbericht (haben Erfahrungsberichte vermutlich so an sich, dass sie subjektiv sind), der auch die Schattenseiten beleuchten soll. Darüber hinaus sei angemerkt, dass sich all das vornehmlich auf Gespräche von Angesicht zu Angesicht bezieht. Kommunikation per ICQ unterliegt in manchen Fällen anderen Regeln.

Einer dieser Bordstein-Dialoge will mir nach wie vor nicht aus dem Kopf gehen. Ich hatte etwas Nettes getan (ich glaube, ich hatte in einer SMS nachgefragt, wie dieses oder jenes gelaufen sei) und auf den Dank dafür murmelte ich nur etwas wie „Ja, ja. Manchmal muss man ja so tun, als ob ...“ oder einen ähnlich zynisch angehauchten Kommentar. Dafür erntete ich einen wirklich bitterbösen Blick und die Frage „Wieso tust du das immer? Wieso machst du alles nette, was du tust, hinterher durch so einen Kommentar wieder kaputt?“ Beinahe reflexartig folgte darauf die Antwort: „Weil ich Zyniker bin.“
Das Thema war damit vorläufig erledigt, aber so richtig los ließ es mich nicht. Wieso tue ich das? Wieso stoße ich Menschen mit derlei Aussagen wieder von mir, sobald ich sie zwei Schritte an mich heran gelassen habe? Aus Selbstschutz? Um die nötige Distanz zu wahren und ihnen gar nicht erst die Chance zu geben, mich auf irgendeine Art zu verletzen?
Mittlerweile ist das tatsächlich beinahe ein Reflex geworden: Komplimente müssen mit einem ironischen Lächeln vorgetragen oder anschließend mit einem zynischen Kommentar wieder zunichte gemacht werden. Dank wird im Regelfall ignoriert oder die Tat für die man ihn erntet heruntergespielt oder durch ein zynisches Kommentar abgewertet.

Ironie ist eine weitere Sache, die sich gut dazu eignet alles und jeden auf Distanz zu halten. Dinge, die man mit einem ironischen Zwinkern betrachtet, haben kaum eine Chance einem wirklich nahe zu kommen.
Darüber hinaus hat Ironie einen weiteren unbestreitbaren Vorteil: Wenn man es sich angewöhnt permanent einen leicht ironischen Unterton in der Stimme zu behalten, dann verwirrt man seinen Gegenüber nicht nur des öfteren, nein, man kann hinterher auch immer behaupten, man habe Recht gehabt. Entweder weil man das besagte – natürlich – absolut ernst gemeint hat oder weil man es - natürlich – nur ironisch meinte.
Die Frage, die ich mir mittlerweile stelle, ist, ob man Geschehnisse, die man aus ironischer Distanz betrachtet, jemals wirklich verarbeiten kann oder ob das nicht bloß eine abgewandelte Variante der Verdrängung ist. Muss man Dinge nicht erst an sich heran lassen und sie aus der Nähe betrachten, bevor man sie verdauen kann?

Manchmal stellt es sich in Gesprächen mit anderen auch als schwierig heraus, an dieser ironischen Distanz festzuhalten. Zwar umgebe ich mich größtenteils mit Menschen, denen Ironie kein Fremdwort ist, aber wenn einem jemand sein Herz ausschüttet, dann ist es nicht immer anzuraten ironische Kommentare fallen zu lassen, weil sich der andere sonst im schlimmsten Fall nicht ernst genommen fühlt.
Natürlich gibt es auch andere Gespräche über heikle Themen, in denen beide Gesprächsteilnehmer die Ebene der Ironie nicht verlassen. Das vereinfacht das Gespräch in zweierlei Hinsicht: Erstens muss man nicht jedes Wort vorher auf die Goldwaage legen, das erspart einem viel Nachdenken, weil man die Worte nicht allzu genau abwägt. Zweitens verhindert die (künstliche?) Distanz, dass man das Thematisierte – zumindest während des Gespräches – allzu nah an sich heran lässt.
Allerdings gibt es auch hier Nachteile: Zum einen bleibt es meistens nicht aus, dass das ganze Gespräch eher schwammig bleibt. Eigentlich bleibt man immer in einer Grauzone, weil man sich – dank Ironie – nie festlegen muss. Und auch die Aussagen des anderen lassen (zu?)viel Interpretationsraum: Meinte er das jetzt ausnahmsweise ernst oder war es nur eine weitere ironische Aussage?
Genau aus diesen Gründen passiert es mir nach solchen Gesprächen oft, dass ich mich dabei erwische, wie ich über die debattierten Themen nachgrüble. Entweder weil ich im Nachhinein versuche herauszufinden, wie der andere jetzt tatsächlich zu dem Gesprächsgegenstand steht oder weil ich mir selbst im Nachhinein darüber klar werden muss, welche Aussagen, die ich getroffen habe, tatsächlich ernst gemeint waren.

Und dann gibt es auch noch die Sorte von Mensch, die Ironie einfach nicht verstehen können oder wollen. Das ist eine besonders schwierige Situation, weil man sich auf unbekanntes Gebiet begibt: Gespräche führen, ohne das kleinste Fünkchen Ironie.
Im Regelfall scheitern diese Gespräche dann allerdings auf die ein oder andere Art. Entweder ist der andere irgendwann beleidigt, weil er den versehentlich herausgerutschten ironischen Satz nicht versteht oder aber man selbst gibt irgendwann völlig entnervt oder entkräftet auf, weil es mitunter recht anstrengend ist, tatsächlich darüber nachzudenken, was man sagt.

HG

Dreh dich um,
dreh dich um.
Vergiß deine Schuld, dein Vakuum.
Wende den Wind, bis er dich bringt
weit zum Meer.
Du weißt, wohin.

...

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