Montag, 12. Oktober 2009

Gefühle? Gibt es da auch was von Ratiopharm?

Manche Situationen verdienen das Prädikat "skurril".
Es ist Samstag Nacht, kurz vor 4 und mir wird bevor wir ins Auto steigen zugeflüstert: "Du hast noch eine Quest, ne?"
Verwirrtes Blinzeln meinerseits. "Wie?" Man sieht mir vermutlich an, wie es in meinem Kopf rattert und dann macht es Klick. "Ach ja, habe ich." Ich bin dankbar für die zwei Gläser (enorm widerlicher) Pfirsichbowle und das Bier, die ich getrunken habe und lege mir verzweifelt einen Gesprächsanfang zurecht.
Der Questverteiler wird ordnungsgemäß zu Hause abgeliefert, ich richte es mir auf dem Beifahrersitz gemütlich ein. "B., ich habe ein Thema, über das wir Kommunikation betreiben können." (Großes Problem auf allen anderen Heimfahrten: Ein Gesprächsthema, dass die zwei Minuten Autofahrt vom Questverteiler zu mir füllen kann.)
An der roten Ampel werde ich fragend angeguckt. "Ach ja? Dann schieß mal los."
"Aaalso ..." Ich fummele nervös an dem Reißverschluss meiner Tasche herum, ringe mit den Worten, aber jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr. "Dein Blick, wenn der Name "M." fällt ... irgendwie ... gefällt mir nicht."
B. gibt ein mittellanges Statement darüber ab, dass ihm die meisten Aktionen, die M. bringt nicht gefallen.
Ich nicke zustimmend, während ich durch die Heckscheibe starre und verzweifelt überlege, wie ich möglichst elegant auf das Kernthema zu sprechen komme. "Bist du dir sicher, dass das alles ist? Das da nicht mehr hinter steckt?"
"Ja."
"Bist du dir ganz sicher?"
"Ja. Worauf willst du eigentlich hinaus?" Mist. Dieser Mensch durchschaut mich immer viel zu schnell. Ich knete weiterhin meine Handtasche, druckse herum und schließlich bringt er es auf den Punkt: "Willst du wissen, ob ich Gefühle für I. habe?"
Während ich das bestätige biegen wir gerade in meine Heimatstraße ein. "Ich glaube, wir fahren noch eine Runde", sagt B. und ich gebe widerum mein Einverständnis. "So, um auf deine Frage zurück zu kommen: Nein, habe ich nicht."
Ich gucke ihn zweifelend von der Seite an. "Bist du dir da sicher?"
"Ja."
"Bist du dir ganz sicher?" Ich fühle mich schon ein bisschen penetrant, aber die Taktik scheint ja zu funktionieren.
"Ja. Das mit M. ist nur, weil .."
Ich falle ihm ins Wort. "Es geht nicht um M., es geht mir um dich. Um dein Herz."
Da geht er nicht weiter drauf ein. "Wie kommst du eigentlich drauf, dass da immer noch was ist?"
Wir kauen verschiedene Punkte durch und er entkräfitgt alle Indizien recht glaubwürdig.

Und doch: Restzweifel bleiben. Anscheinend nicht nur bei mir, denn als wir Herford einmal auf der Ost-West-Achse durchquert haben und auf die Umgehungsstraße abbiegen, sagt er: "Nein. Ich habe wirklich keine Gefühle mehr für sie." Mir gelingt es wohl nicht die Skepsis aus meiner Miene zu halten. "Oh, verdammt. Je öfter ich das sage, desto weniger glaubwürdig wird es oder?"
Ich brummele etwas unverbindliches und unterdrücke das Bedürfnis mich am Haltegriff festzuklammern, während er das Auto auf gefühlte 120 km/h beschleunigt.
Er wirft mir einen undeutbaren Blick zu ('Bitte, bitte, guck auf die Straße, wenn du schon so schnell fahren musst!'). "Ich bin vielleicht manchmal ein bisschen doof, aber ich mache den selben Fehler nicht zwei Mal."
Irgendetwas in mir zieht sich zu einem harten Knoten zusammen. Ich hasse es an den Seelenschrott anderer zu gehen. "Das hat nichts mit Dummheit zu tun. Gefühle und Intelligenz, das sind zwei Paar Schuhe."
Wir drehen uns noch eine Weile im Kreis, wechseln schließlich kurzfristig das Thema und kommen schließlich doch noch einmal drauf zurück. Ich erkläre etwas unbeholfen: "Na ja, eigentlich ist das ja nicht meine Art, mich ungefragt an den Seelenmüll anderer Menschen heranzuwagen, aber irgendwie ..." Ich scheitere daran den Grund meiner Sorgen in Worte zu kleiden.
"Ja, ich finde das wirklich fürsorglich ... nein, das klingt zu hochgestochen ... ich finde das wirklich nett, dass du dir Sorgen um mich machst. Aber du musst dir da wirklich keine Sorgen machen. Auch wenn ich doof bin, ich mache den selben Fehler nicht zwei Mal."
Während ich noch darüber nachdenke, ob mich diese Wiederholung misstrauisch machen sollte, fragt er mich scheinbar zusammenhangslos, ob ich ihn schon einmal richtig wütend erlebt habe. Ich mustere ihn abschätzend. "Nein, ich glaube nicht."
Er nickt und fühlt sich anscheinend bestätigt. "Siehst du? Ich verdränge sowas einfach."
Automatisch entfleucht mir meine standartisierte Antwort auf das Wort Verdrängung: "Verdrängen ist aber nicht gut."
"Ja, ich weiß. In letzter Zeit ist meine Haut auch verdammt dünn geworden."
Ich suche nach einer Antwort und stelle beim bewussten Blick aus dem Fenster fest, dass wir beinahe wieder bei mir zu Hause sind.

Den Rest der Fahrt verbringen wir schweigend und erst hinterher frage ich mich, ob das Verdrängen der Wut ähnlich gut funktioniert, wie das der Gefühle.

HG

Dreh dich um,
dreh dich um.
Vergiß deine Schuld, dein Vakuum.
Wende den Wind, bis er dich bringt
weit zum Meer.
Du weißt, wohin.

...

Der Trend geht zum Zweit­blog.

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