Samstag, 22. Juli 2006

Schlechtes Gewissen

Und mal wieder ist da das schlechte Gewissen. Zumindest heute hätte man doch zumindest auf den Friedhof gehen können, ja eigentlich schon fast müssen. Aber irgendwie waren da andere Dinge doch wieder im Weg. Zu lange geschlafen, viel zu warm, um den eigentlich gar nicht so weiten Weg zum Friedhof zu wagen, über Friseur- und Tantenbesuch zwischenzeitlich auch einfach verdrängt und irgendwie auch viel zu sehr mit mir selber beschäftigt.
Und doch erscheint mir das alles so vorgeschoben.
Aber andererseits: Macht es wirklich einen Unterschied, ob ich an seinem Grab stehe oder wo anders an ihn denke? Merkt er überhaupt noch, dass ich an ihn denke, dass er uns fehlt? Und wenn ja, hat es dann irgendeine Bedeutung für ihn, ob ich das auf dem Friedhof oder sonst wo tue? So wie ich ihn in Erinnerung habe, würde ich eindeutig nein sagen.
Und doch fühlt es sich gerade so falsch an nicht hingegangen zu sein. Weil "man" eben sowelche Jahrestage zu würdigen hat, an ihnen zum Friedhof pilgern muss, um den Verstorbenen zu gedenken. Aber ich bin eben nicht "man". Ich mag den Friedhof einfach nicht und es gibt mir auch nichts vor einem Stein zu hocken.

Was mir gerade noch dazu in den Sinn kommt: Man hört oder liest ja immer wieder von Menschen, die behaupten, dass sie immer, wenn ein naher Verwandter verstorben ist, das Gefühl hätten, dass er gar nicht tot sei und gleich durch die Tür kommen müsse. Komischerweise hatte ich dieses Gefühl nie. Mir war von Anfang an klar, dass er tot ist und auch nie wieder kommt. Außer in sowelchen Momenten, wenn mein großer Bruder ans Telefon geht und sich meldet. Durch die Wand klingt es manchmal wirklich wie er und anfangs habe ich wirklich fast jedes mal gestutzt, bis mir klar wurde, dass es nur Ben ist.

Irgendwie krass, dass es jetzt drei Jahre sind. Auf der einen Seite kommt es mir soviel länger vor, aber irgendwie eben auch nicht. Manchmal versuche ich mich an seine Stimme zu erinnern, an sein Lachen, an den Camelgeruch, der immer wenn er zu Hause war durchs Haus zog. All das war schneller weg, als man denkt.
Ich weiß noch, wie es mir einmal, als ich mit Jana ein altes Heimvideo anschaute, die Tränen in die Augen trieb, als er ins Bild war oder viel mehr seine Stimme zu hören war.
Aber vielleicht sollte man die Toten einfach ruhen lassen, sich damit abfinden, dass sie nicht mehr da sind und auch nicht wiederkommen und hoffen, dass dieser sanfte Schleier der seeligen Erinnerung bald auch auf das letzte bisschen Schmerz legt.
jaweka - 22. Jul, 21:08

Jeder trauert anders...

lass dir nicht sagen, wie "man" zu trauern hat... Jeder ist da anders. Ich war auch bisher.. keinmal?einmal? auf der Friedhof, jemanden besuchen, den ich kannte. Und das ist auch bald vier Jahre her.
Du bist du, und was du fühlst, was du denkst, musst du vor keinem in Beweis stellen.

Bei diesem Thema ist es immer wieder schwierig, die rechten Worte zu finden. Gerade kann ich nicht so für dich da sein, aber wenn du dann wieder mal drüber reden willst, weißt du ja, wo du das kannst. Auch wenn ich niemals das nachempfinden kann, was du durcngemacht hast. Einen Vater haben wir beide irgendwo verloren.

Vielleicht vergisst man so schnell, um zu verdrängen, um es nicht so schmerzhaft zu machen. Vielleicht?

Ich hab dich gern :)

HG

Dreh dich um,
dreh dich um.
Vergiß deine Schuld, dein Vakuum.
Wende den Wind, bis er dich bringt
weit zum Meer.
Du weißt, wohin.

...

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